Die Spielarten der Macht
Im beruflichen Alltag begegnen mir unterschiedliche Spielformen der Macht.
Ich fokussiere mich an dieser Stelle auf eine, die ich gerade häufig beobachte: die Deutungsmacht. Sie hat sich aus der Old Economy in die New Work geschlichen. Dort erschwert sie einen Umgang im Miteinander auf Augenhöhe in der neuen, frischen Arbeitswelt. Deutungsmacht nimmt übrigens mit jeder Hierarchiestufe mehr zu als ab. Das macht sich zum Beispiel in der Art und Weise bemerkbar, wie Organisations- und Entscheidungsstrukturen von Geschäftsführung und Führungskräften gesehen und erklärt werden: das wirtschaftliche (Branchen)Umfeld, die Verständlichkeit und Sinnhaftigkeit der Strategie, das Betriebsklima. Ich erlebe sehr häufig, dass es hierzu eine offizielle Leseart gibt, die die Mehrheit der Mitarbeiter:innen „nachbetet“ – einfach, weil sie wissen, dass jede andere Sicht auf die Dinge abmoderiert oder bis zur eigenen Sprachlosigkeit hinterfragt, mitunter einfach auch mundtot gemacht wird.
Was sich in dieser Situation entwickelt, ist spannend: Auf öffentlicher Bühne gibt es die Deutung der Machtvollen, auf diversen Hinterbühnen wie dem Flurfunk findet dann versteckt, geschützt ein Austausch „ehrlicher“ Sichtweisen statt. Durchaus lebendig und konträr – aber eben ohne die Mächtigen. Diese werden jeweils eifrig in ihrem Narrativ bestätigt – viele Andersdenkende wollen einfach nur ihre Ruhe haben und schweigen. Die „Entscheider“ erleben das als Zustimmung. Und so verfestigen sich Haltungen und Sichtweisen.
Eine unglückliche Konsequenz solcher Entwicklung ist die zunehmende Distanzierung von Geführten und Führenden. Dass die Standpunkte unterschiedlich sein können oder müssen – keine Frage, Haken hinter. Aber, dass es in manchen Fällen völlig unterschiedliche Umlaufbahnen um den Planten „Unternehmen“ gibt, ist wenig hilfreich für einen erkenntnisreichen und fruchtbaren Dialog auf Augenhöhe. Gerade der aber macht unterschiedliche Sichtweise und den Einblick in eine andere Welt erst möglich. Wenn schon Haltungen so weit auseinanderliegen, hat das für die Stimmigkeit, Konsistenz und Konsequenz von Entscheidungen und Handlungen selten etwas Gutes zu bedeuten.