Agile Führung
Das beste Vorbild für eine wahrlich agile Führung zeigt uns unser Gehirn. Es passt sich blitzschnell an neue Gegebenheiten an und arbeitet kooperativ statt kompetitiv. Die Amygdala ist nicht wichtiger als der Frontallappen, und es kommt nicht so sehr auf die Anzahl der Nervenzellen in einem Bereich an, sondern auf ihre Verknüpfung miteinander. Wer schon einmal sportliche Bewegungsabläufe trainiert hat, weiß, wie wichtig die richtige neuronale Verknüpfung ist, um eine schnelle Reaktion auf eine Situation auszulösen. Die auftretenden Situationen lassen sich unmöglich vorhersagen.
Die Verknüpfungen aber kann ich trainieren. Taucht dann spontan eine Herausforderung auf, organisiert sich das Gehirn flexibel und reagiert individuell auf die vorliegende Situation.
Bestimmte Qualitäten können also die richtigen Rahmenbedingungen für agiles Verhalten schaffen:
- Kompetenzerhöhung: Hierunter fällt die Ermächtigung (engl.: Empowerment) der Mitarbeiter:innen den sich ihnen stellenden Herausforderungen eigenverantwortlich zu begegnen. Dies ist zumeist das Resultat langfristiger proaktiver Personalentwicklung gepaart mit einer nachvollziehbaren und emotional bindenden Kommunikation über die strategische Vision des Unternehmens.
- Schnelligkeit: Die umgehende Reaktion nicht nur auf Marktveränderungen, sondern auch auf Mitarbeiteranliegen, sowie konsequentes, zeitnahes Feedback sind von kritischer Bedeutung.
- Flexibilität: Offenheit für Veränderungsvorschläge aller Ebenen und Prozesse. Basis dafür ist das permanente Hinterfragen des Status quo. So werden unkonventionelle Lösungswege überhaupt erst möglich.
- Reaktionsfähigkeit: Um auf identifizierte Veränderungen rasch reagieren zu können, bedarf es der Handlungsfähigkeit auch unter Unsicherheit. Reaktionsfähigkeit ist zumeist das Resultat aus den vorhergehenden Qualitäten und bedarf des Vertrauens gepaart mit der Ausstattung aller Ebenen mit den notwendigen Kompetenzen.
Die Führungskraft erfindet sich in diesem Konstrukt ebenfalls neu und nimmt auch an dem eigenen Verhalten Adaptionen vor. Sie muss lernen, den Mitarbeiter:innen wirklich auf Augenhöhe zu begegnen, sie ernst zu nehmen und verstärkt die Beziehungsebene zu pflegen. Mehr Entscheidungsfreiheit und mehr Ermächtigung, lauten die Schlagwörter.
Auf Wiedersehen, „Top-down“-Sichtweise
Die agilen Herangehensweisen wie etwa das Experimentieren, das Entwickeln von Prototypen, Retrospektiven oder die „Stand-up“-Meetings verpuffen, wenn der Rahmen selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten nicht explizit fördert. Gemeinsame Planung gehört genauso zum agilen Repertoire wie eine offene Kommunikation und differenziertes, gegenseitiges Feedback.
Wer als Führungskraft Agilität einfordert, muss sich von der „Top-down“-Sichtweise verabschieden und notwendige Informationen vorbehaltlos teilen, eine offene Feedback-Kultur vorleben und den Mitarbeiter:innen auf Augenhöhe begegnen. So können Räume zur Entfaltung von Kreativität geschaffen werden — das Fundament für schnelle und adäquate Anpassung auf die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen. Vertrauen und Verantwortung können ihren Weg durch die Hierarchie finden und diese sogar langfristig umgestalten.