Kant in a Nutshell
Kant war ein Verfechter des unabhängigen Denkens und kritisierte die unkritische Akzeptanz von Autoritäten.
Sein berühmter Aufruf zur Aufklärung, „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, ist ein starkes Plädoyer für die Wertschätzung der eigenen Urteilskraft und der kritischen Auseinandersetzung mit Informationen und Normen, und es ist ein Appell zum „Selbst Denken“*. Dies ist in der heutigen Zeit, in der wir von Informationen, LinkedIn Posts, Instagram, Social Media überflutet werden und gleichzeitig mit Desinformation konfrontiert sind, besonders relevant.
Kant – da bin ich mir sicher – hätte Ambivalenzen geliebt. Widersprüche hätten ihn und seine Zeitgenossen geradezu gereizt, neue Perspektiven zu entwickeln. Sie hätten Unterschiede nicht nur zugelassen, sondern als Quelle neuer Erkenntnisse gesehen. Einfach, weil sie Freude an der Auseinandersetzung und Respekt vor dem Intellekt des anderen hatten. Themen einfach glattzubügeln, wäre unter ihrer Würde gewesen.
- Fördere deshalb eine Kultur der Reflexion und Selbstkritik innerhalb Deines Teams und Deines Unternehmens.
- Fordere regelmäßig Feedback ein zu (Deinen) Entscheidungen/Entwicklungen. Überprüfe Deine Reaktionen: Willst Du Dich gleich erklären? Rechtfertigen? Oder gibt es die Tendenz, sich schmollend zurückzuziehen?
- Welchen Ruf haben Widersprüche? Können sie stehenbleiben oder müssen sie gleich „glatt gebügelt“ werden?
- Gestalte kreative Retros, die Haltungen hinter Handlungen offenbar machen.
Die Fähigkeit, sich selbst mit Abstand zu beobachten, ist aus meiner Sicht die Grundlage für Wandlungsfähigkeit. Diese Selbstbeobachtung schaut mutig in den eigenen Spiegel, ohne an Oberflächlichkeiten hängen zu bleiben. Der/die Selbstverliebte berauscht sich am eigenen Spiegelbild, der/die Suchende schaut hinter die Fassade. Kant ging es um die tiefe Selbst-Schau, die schon an einer Säule des berühmten Apollon Tempels von Delphi stand: „Erkenne dich selbst!“. Originell forderten die Bonner Ausstellungsmacher:innen deshalb für unsere Gesellschaft „Mehr Delphi als Selfie!“.
Auch der Autor und Berater Hans-Joachim Gergs** sieht die Selbstreflexion als Metaprinzip, das zur Selbsterneuerung eines Unternehmens wesentlich ist. Sie bedeutet die Fähigkeit zu haben, das eigene Selbst zum Gegenstand der Beobachtung zu machen und persönliche Praktiken und Routinen einer kritischen Prüfung auszusetzen. Das beginnt beim Individuum, kann sich dann auf Teams, Bereiche, ja aufs ganze Unternehmen ausdehnen. Aus meiner Sicht wäre dieser Prozess der Selbst- und Unternehmensreflexion mindestes so wichtig, wie die Zielformulierungsprozesse.
*Quelle: „Selbst denken – Eine Anleitung zum Widerstand“ Harald Welzer, 2014 Fischer Verlag
**Quelle: „Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung“ Hans-Joachim Gergs