Abwechslungsreich
Um das Motto der Biennale 2019 gab es einige Diskussion. Der US-amerikanische Kurator Ralph Rugoff, Direktor der Hayward Gallery in London, hatte den Titel der 58. internationalen Kunstausstellung in Venedig sehr bewusst ausgewählt.
„May you live in interesting times“ soll der Überlieferung zufolge eines alten chinesischen Fluchs gewesen sein, der seinem Empfänger in blumigem Understatement Zeiten der Unsicherheit, der Erschütterung oder der Krise wünscht.
Zwar hat sich herausgestellt, dass dieser angebliche Fluch wohl nur auf eine Aussage des britischen Politikers Austen Chamberlain zurückgeht, doch der klingende Satz wurde so häufig zitiert, dass er sich bis heute in der Erinnerung gehalten hat. Zumal er sehr trefflich unsere Gegenwart abzubilden scheint. Wir leben wahrlich in vielerlei Hinsicht in „interessanten“ Zeiten, und jeden von uns berühren diese auf unterschiedliche Weise.
Lebendigkeit lässt wachsen
Doch „interessant“ muss nicht nur Negatives meinen. Gerade wenn uns die Gegenwart auch nervt, lohnt es sich, die Bandbreite der Bedeutung von „interessanten Zeiten“ näher zu betrachten:
Vielleicht sollten wir uns einmal wieder bewusst auf eine „anregende“ Art mit unserem Leben beschäftigen. Was darin ist gerade abenteuerlich? Was gibt uns Frische, lässt und Lebendigkeit spüren? Oder auch: Was ist bedeutsam und darf noch wichtiger in unserem Leben werden?
Richten wir den Blick häufiger auf die Haben-Seite unseres Lebens, auf all das, was unseren Alltag erhellt.
Ich bin der Meinung, diese Zeit ist eine Einladung, unsere Haltung – gegenüber uns und unserem Leben – ganz bewusst zu erfahren und zu erweitern. Vielleicht schenken wir uns ein neues Mantra:
„Möge mein Leben abwechslungsreich sein.“
Es verleiht uns die Kraft, staunend zu beobachten, wie sich unser Leben immer wieder neu gestaltet. Idealerweise so, dass wir es in interessanten Zeiten wie diesen als bemerkenswert und bereichernd erleben.