
Das persönliche Bermuda-Dreieck, in dem viele Frauen untergehen
Wenn wir verstehen, wie unsere Prägungen und Glaubenssätze unser Handeln beeinflussen, können wir einen Schritt weitergehen – in die Tiefen unseres inneren Dialogs.
Denn in uns wirken verschiedene Anteile, die oft unbewusst unsere Entscheidungen lenken. Das Modell des inneren Teams von Friedemann Schulz von Thun ist dabei ein wertvolles Werkzeug, um diese inneren Stimmen zu erkennen, zu steuern und bewusst mit ihnen umzugehen.
In meiner Arbeit mit Klientinnen treffe ich immer wieder auf drei innere Stimmen, die bei Frauen präsent sind – und die sie leider nicht nur antreiben, sondern auch enormen Druck erzeugen:
- Die Perfektionistin will alles makellos erledigen und lässt keine Spielräume für Fehler oder Unvollkommenheit. Sie sorgt dafür, dass wir nur dann zufrieden sind, wenn wir alles perfekt machen. Ihr Motto: „Es reicht nicht. Es geht noch besser.“
- Die Kritikerin analysiert, hinterfragt und warnt uns vor Risiken. Ihr Anliegen ist es, uns zu schützen. Doch oft hält sie uns Frauen dadurch davon ab, mutige Schritte zu gehen. Ihr Motto: „Bist du sicher, dass du das kannst?“
- Die Richterin. Während die Perfektionistin uns antreibt und die Kritikerin uns bremst, fällt die Richterin das endgültige Urteil – und sie ist selten gnädig. Wenn etwas nicht perfekt war, wertet sie es gnadenlos ab. Ihr Motto: „Das war nicht gut genug. Du hast versagt. Mach es noch einmal.“
Ich nenne diese drei Kräfte das Trio Infernale. In einem unheilvollen Zusammenspiel können sie schnell zu einem Bermuda-Dreieck werden, in dem die Frauenkraft zwischen Selbstzweifeln, Erschöpfung und Überforderung verloren geht. Statt zu gestalten und bei sich selbst zu sein, optimieren sie sich unaufhörlich – und vergessen dabei oft, dass sie längst gut genug sind.
Das Problem entsteht, wenn die drei Stimmen uns Frauen unkontrolliert steuern. Das Konzept des inneren Teams von Schulz von Thun zeigt uns: Wir haben nicht nur eine innere Stimme, sondern viele – und wir können lernen, sie bewusst zu führen. Statt von der Perfektionistin oder der Kritikerin regiert zu werden, können wir als Teamchefin entscheiden. Sobald diese Regisseurin an Bord ist, verändert sich alles. Wer die Führung über die eigenen inneren Dialoge übernimmt, kann bewusst navigieren – und trifft Entscheidungen nicht mehr aus Angst, Zweifel oder Perfektionismus, sondern aus Klarheit und Selbstvertrauen heraus.
Wir können lernen, unsere inneren Stimmen bewusst zu führen und die Teamchefin zu aktivieren. Die folgende Checkliste hilft dabei:
- Prioritäten setzen: Schaut Euch bestimmte Situationen nachträglich an und analysiert, ob es hilfreich gewesen ist, auf die innere Kritikerin zu hören.
- Zuhören: Welche Stimme war am lautesten? Und wäre es besser gewesen, die Bedenken bewusst stehen zu lassen oder sie in den Wind zu schlagen?
- Grenzen setzen: Die Perfektionistin in Euch darf Euch antreiben. Aber Ihr müsst das Limit setzen und für Euch definieren: Wann ist „gut genug” im wahrsten Sinne des Wortes dann auch wirklich gut genug?
- Berufung einlegen: Wenn die Richterin urteilt, gilt es spätestens nachträglich zu hinterfragen, ob das Urteil angemessen oder zu hart ausgefallen ist. Im letzteren Fall bedeutet das: Ich muss mich bewusst gegen das Urteil stellen und Berufung einlegen. Die Frage ist dann: Welche Strategien den Einspruch erfolgreich einzulegen und bewusst durchzufechten?
- Beobachtung üben: Auch beim „bewussten Ich“ gilt: Übung macht den Meister. Übt Euch darin, die Position der Teamchefin bewusst einzunehmen, zu steuern und den Moment zu bestimmen, in dem es sinnvoll und nützlich ist, dass sie ihre Führungsrolle übernimmt und lenkt. Das erfordert Wahrnehmungsroutinen.
In meiner Female Mastery weise ich immer wieder darauf hin, dass Souveränität im Inneren beginnt. Wer z.B. sein eigenes Team führen kann, agiert auch im Außen klarer und entspannter.
Doch warum tun wir uns so schwer damit? Studien zeigen, dass Männer neue Karriereschritte oft mit einer Selbstverständlichkeit gehen, die vielen Frauen fremd ist. Während Männer sich bereits bewerben, wenn sie nur 60 Prozent der Anforderungen erfüllen, neigen Frauen dazu, erst dann zu handeln, wenn sie glauben, perfekt vorbereitet zu sein. Sie zögern, zweifeln, optimieren sich – und verpassen dabei oft Chancen.