Vor der Fürsorge kommt die Selbstsorge
Seit Tausenden von Jahren sind Frauen auf eines gepolt: die Fürsorge für andere. Vom Beginn der Steinzeit an, dienten sie dem Erhalt der Sippe, zogen Kinder groß, pflegten Alte und Gebrechliche, kümmerten sich …
… um die verletzten Krieger und Soldaten, verteilten als Nonnen Almosen an die Armen. Sie mussten das Feuer entfachen und halten. Heute würde ich sagen: Sie hielten den Laden am Laufen.
Bis heute hat sich an der archaischen Rollenverteilung nicht viel geändert. Frauen und Mädchen leisten täglich nach einer Studie von Oxfam aus dem Jahr 2020 über 12 Milliarden Stunden unbezahlte(!) Hausarbeit, Pflege und Fürsorge*. Ohne gesellschaftliche Anerkennung. Ich habe immer wieder erlebt, dass sich gerade Frauen den fürsorglichen Blick auf sich selbst nicht oder nur sehr eingeschränkt gestatten. Dabei ist die Selbstfürsorge keine Idee der Neuzeit. Sie hat ihre Wurzeln bereits in der Antike bei Platon und seinem Lehrer Sokrates.
Was heißt Selbstfürsorge?
Selbstfürsorge hat zwei Ebenen: Die Selbstfindung durch Sinnsuche, die Tatjana Reichhart, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Autorin** als richtige Selbstsorge bezeichnet, während Selbstoptimierung eine Verbesserung beschreibt. Diese – aus ihrer Sicht falsche Selbstfürsorge – folgt einem Effizienzdenken, das eher einen Trend als eine echte Selbstfürsorge darstellt. Selbstfürsorge bedeutet, dass Du auf Deine mentale, körperliche, emotionale und geistige Gesundheit achtest und sie stärkst. Das Wichtigste: Selbstfürsorge hat keine Bedingungen, muss kein – optimales – Ergebnis erzielen. Braucht keine Rechtfertigung vor anderen.
Wie lässt sich der Pfad der Selbstfürsorge finden? Ich empfehle unter anderem, dass Du in den Spiegel schaust und prüfst, was Du wirklich willst. Habe den Mut und nimm Dir ein Herz, zu Dir zu stehen! Begegne Dir selbst mit Wertschätzung und echtem Mitgefühl. Plane aktiv Zeit mit Dir alleine ein und bereite Dir ab und an selbst eine Freude, in dem Du die Dinge tust, die Dir guttun. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Selbstsorge immer wieder Übung braucht, Humor und Geduld, wenn Du auf Seitenwege kommst, Du stockst, wenn das Tempo Dir zu langsam erscheint.
Hier ein paar praktische Tipps, die Dir helfen, Deine Selbstfürsorge im Alltag zu beachten:
- Sei gut zu Deinem Körper: Zwinge Dich nicht zu privaten Terminen, die bei Dir ein Magengrummeln verursachen.
- Schlafe ausreichend: Mindestens sieben Stunden.
- Mache zwischendurch eine Pause: Das genieße ich mittlerweile sehr. Frühmorgens eine Yoga-Einheit machen, ganz in Ruhe, oder zwischendurch einfach nur mal auf den Baum im Hof schauen.
- Nimm Deine Gefühle ernst: Gibt Deinen Gefühlen Raum und spüre, was Du wirklich fühlst. Achte auch auf die negativen Emotionen, sperr sie nicht weg, sonst melden sie sich, wenn Du sie gar nicht brauchst. Was kannst Du ganz bewusst genießen? Den Duft Deines Lieblingstees, frische Blumen, das Lachen Deiner Kinder – Dinge, die Dein Herz erfreuen?
- Beobachte Deine Gedanken: Welche Glaubenssätze behindern Deine Selbstwertschätzung? Woher kommen sie? Wer hat sie Dir vermittelt? Wann ist Deine innere Kritikerin besonders aktiv? Wie kannst Du sie stoppen? Wie denkst Du über Dich?
- Selbstsorge schließt ein gesundes Verhältnis zu anderen ein: Umgebe Dich mit Menschen, die Dir wirklich wichtig sind. Lasse ab und zu neue Menschen in Dein Leben. Und zeige anderen Deine Zugewandtheit.
*https://www.oxfam.de/unsere-ar…
**Tatjana Reichhart: Das Prinzip Selbstfürsorge, 2020