Ein allmächtiger Herrscher mit einem üppigen Hofstaat, der von Macht, Prunk und Einfluss bestimmt war.
Manche Höflinge taten vieles, manchmal alles, um in die Nähe oder gar an die Tafel des Königs zu gelangen. Andere waren bedacht darauf, nicht in diesen Strudel aus Intrigen, Klatsch und Giftringen lebensgefährlich hineingezogen zu werden.
Warum ich das an dieser Stelle ausbreite? Weil aristokratische Höfe vergangener Zeiten und heutige Organisationen mehr gemeinsam haben als sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Beides sind mehr oder weniger ausprägte hierarchische Systeme, in denen Menschen durch Funktion, Kommunikation und Interaktion miteinander verbunden sind. Die Teilnehmer:innen des Systems sind aufeinander bezogen, weil sie an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten. Die Art und Weise dieses Bezugs hat mit bestimmten, getragenen Werten zu tun, die sich über Jahre hinweg entwickelt haben und schwer veränderbar sind. Früher wie heute können die Kulturen beider Systeme ins Toxische abrutschen. Denn auch heute beobachte ich in Unternehmen ganz häufig den Drang zur Macht und den Willen, an den Tisch der Entscheider zu kommen.
Und ebenso wie früher bei Hofe gibt es dauernde Versuche einzelner Protagonisten zu brillieren, sich zu zeigen, um auf diese Weise etwas vom Glanz und der Gunst der Mächtigen abzubekommen. Unmittelbar lebensgefährlich ist eine solche Kultur innerhalb von Organisationen im Allgemeinen nicht. Aber ungesund für die Seele und irgendwann dann auch für den Körper kann sie sehr wohl sein, wenn sie ins Toxische abgleitet. Gerade Unternehmenszentralen – salopp nicht selten „Der Todesstern“ genannt – bilden ein hervorragendes Milieu für das Entstehen solchermaßen degenerierten Klimata. Möglicherweise, weil hier der Weg zur Führungsschicht und den Mächtigen kurz und damit attraktiv ist.
Toxischer Befund
Sule Alan, Professorin für Wirtschaftswissenschaften am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, hat in einem großangelegten Experiment mit internationalen Konzernen untersucht, unter welchen Problemen Mitarbeiter:innen leiden. Heraus kam eine Rangliste von Schmerzpunkten. Die Top drei sind: schwierige Führungskräfte, toxische Beziehungen und antisoziales Verhalten.
In einem zweiten Experiment untersuchte Alan dann mit zwei weiteren Wissenschaftlern Ursachen und Gegenmittel für eine toxische Unternehmenskultur. 20 Unternehmen nahmen daran teil. Das Experiment bestand im Wesentlichen aus Rollenspielen und Übungen, in denen die Teilnehmer:innen die Perspektive wechselten und Feedback gaben. Ziel der Übungen war, bei den Probanden Verständnis für die Motive, Ziele und Anliegen des Gegenübers zu entwickeln. In einem erneuten Durchgang überprüfte das Forschungsteam das Verhalten der Beteiligten noch einmal. Das Ergebnis war verblüffend: Durch den angeleiteten Perspektivwechsel verbesserte sich das soziale Verhalten von Mitarbeiter:innen und Führungskräften. Es ist damit wissenschaftlich bewiesen: Eine toxische Unternehmenskultur ist hausgemacht und kann deshalb auch verändert und transformiert werden – wenn der Wille aller Beteiligten vorhanden ist.