Gängiges Beispiel: Eine Mitarbeiter:in kommt zur ihrer Führungskraft und stellt eine Frage. Es kommt die Frage zurück: „Ja, was könntest Du jetzt tun?“ oder noch schlimmer: „Was meinst Du, wie es mir damit geht?“ Letztere ist eine „Würgefrage“, wie ich es nenne. Denn sie würgt den Dialog ab. Selbstverständlich kann die Führungskraft ihre Mitarbeiter:in zu einem Perspektivwechsel einladen – aber doch erst dann, wenn sie selbst Stellung bezogen hat.
Das Signal des unmittelbaren Feedbacks über die Gegenfrage ist in dieser Hinsicht absolut kontraproduktiv. Die Übersetzung auf der Sub-Ebene lautet: „Ich finde diese Frage überflüssig! Streng Dich gefälligst an, selbst Ideen und Initiative zu entwickeln, bevor Du zu mir kommst und fragst“. Eine „echte“ Fragekultur entsteht so jedenfalls nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass Organisationen, die eine hierarchische Antwortkultur pflegen, auch weniger Perspektivwechsel praktizieren. Damit sind die Einfallstore gesetzt für dysfunktionale Verhaltensweisen. In gleichem Maße bietet eine offene Art des Fragens, die dem oder der anderen ein wirkliches Interesse unterstellt und gemeinsam auf Erforschung geht, eine Möglichkeit des gesunden, offenen Dialogs.
Die Suggestivfrage
Eine gemeinsame Entdeckungsreise braucht Unvoreingenommenheit von Sender und Empfänger gleichermaßen. Oftmals schildern mir Seminarteilnehmer:innen, dass sie das Fragestellen als Manipulation erleben. Es werden so viele offene Fragen gestellt, bis der/die Empfänger:in auf die Lösung kommt, die der Idee der Absender:in gleichkommt. Irgendwie merkwürdig, dass der „Fragemarathon“ genau zu einem – offenbar – vorher festgelegten Ziel führt. Ernst genommen fühlen sich Mitarbeiter:innen damit nicht. Auch an dieser Stelle kann eine Unternehmenskultur einknicken, weil sie an Vielfalt und Buntheit verliert.
Meine Empfehlung: Moderieren Sie als Sender:in an, dass Sie durch Ihre Fragen Ihr Gegenüber bei einer Lösung mit Ihren Gedanken begleiten wollen. Dann ist das Frage-Antwort-Spiel klar verteilt, das Vorgehen transparent.
Die Alternative ist: Sie begeben sich als Sender:in in die Rolle des Coaches:in, stellen Ihre Fragen also so, dass Ihr Gegenüber seinen Gedankengang entdecken, prüfen und erleben kann. Aus diesem Prozess entsteht häufig im Ergebnis etwas Neues, Unbekanntes – und genau das ist schließlich, was gewollt ist: ein innovativer Ansatz für ein viel zu oft bekanntes Problem.