Der Sündenfall und die Rückkehr ins Paradies
Für mich ist Macht positiv besetzt. Ich folge den althochdeutschen Bedeutungen von pressen, formen, bilden oder auch können, vermögen, fähig sein.
Es gibt sowohl eine handwerkliche als auch soziale Dimension von Macht. Damit ist bereits in der Wurzel die Idee von Potential enthalten. Für mich heißt Macht: Die Möglichkeit und das Können zu besitzen, etwas zu gestalten und zu bewirken.
Ich habe mir Gedanken dazu gemacht, wann Macht kippen kann. Meine Hypothese dazu ist: Wenn es nur noch um den reinen Erhalt, also eine Konservierung von Macht geht. Das ist der Sündenfall! Wenn Menschen an der Macht kleben, sie nicht hergeben oder teilen wollen. Das ist toxisch für Teilhabe und Partizipation und damit der „Show Stopper“ von Empowerment im Rahmen von New Work. Wie oft erlebe ich, dass Ideen und Initiativen „von oben“ nicht erlaubt, gefordert oder gefördert werden, weil sie Kontrollverlust bedeuten und Machterhalt zuwider laufen?! Wie viele Entscheidungen werden von denjenigen getroffen, die nur ihre eigene Position festigen wollen – mit fadenscheinigen, vorgeschobenen Argumenten? Wie viele Instrumente aus der agilen Welt werden nur halbherzig umgesetzt, weil sie die Entscheidungsmacht der Macher einschränken?
Es gibt aber auch noch einen zweiten „Rohrkrepierer“, um das Thema Macht: die Macht über andere. Der autoritäre Eingriff in die Terminkalender anderer, die Kontrolle der Arbeits- und Anwesenheitszeiten von Teammitgliedern, die kleinteilige Überwachung des Fortschritts ihrer Projekte und ihrer Entlohnung … kurzum: die Macht, über die Berufsbiografie von anderen Menschen teilweise beliebig zu verfügen. Die Frage ist: Braucht es diese Macht?
Der Weg zurück zu einem erwachsenen, gesunden und reifen Gebrauch von Macht hat aus meiner Sicht viel mit ehrlicher Selbstbeobachtung und Selbstwahrnehmung zu tun. Es gilt zu entdecken und sich einzugestehen, wann und wie Macht verführen kann. Wie sie den Menschen vom rechten Wege führen und ihn letztlich von sich selbst entfremden kann. Hier braucht es Mut zur Selbstreflexion – und die Offenheit, ein Feedback anzunehmen. Das fällt nicht immer so aus, wie gewünscht. Aber es gilt, tapfer zu bleiben!
Wie üben Sie die Macht aus? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Sie und Ihr Umfeld?
Und jetzt die Fragen, deren Antworten für mich der Weg sind von einem Sündenfall zurück ins Paradies zu kommen:
- Wie gehen Sie mit Macht um? Wofür und in welchen konkreten Situationen setzen Sie Ihre Macht ein?
- Was wollen Sie mit Ihrer Macht bewegen, kreieren, ins Leben bringen?
- Wer außer Ihnen wird dadurch sicherer, bereichert, inspiriert, gestärkt?
- Sind Sie selbst regelmäßig in Situationen beziehungsweise in einer Position, in der Sie Macht passiv erleben oder ganz konkret spüren? Wie gehen Sie damit um? Was macht das mit Ihnen?
Zugegeben: Die Antworten darauf zu finden, ist nicht einfach. Nehmen Sie sich also Zeit und bleiben Sie authentisch. Vermeiden Sie es, sich davon zu „stehlen“, indem Sie sich ins Nebelige, Abstrakte flüchten. Seien Sie so konkret wie möglich. Fragen Sie auch Ihr Umfeld, ob Ihre Eigenperspektive mit der Fremdwahrnehmung übereinstimmt. Suchen Sie sich alltägliche Situationen, Gespräche, in denen Sie bewusst mit einem frischen Blick auf Ihre Macht zu Werke gehen. Eine reflektierte bewusste Eigenmacht macht nicht nur Ansagen. Sie schafft Power, kreiert Opportunitäten! Diese Macht steht uns allen zur Verfügung – unabhängig vom Alter und der Hierarchiestufe. Diese Macht verbindet, sie steht für ein Anliegen ein, sie respektiert das Menschliche, sie lässt anderen Raum. Diese Art der Macht wird dringend gebraucht! Jetzt!